Satirische Prunksitzung erfüllte die Erwartungen

60. Karneval mit Liederheim in der ausverkauften Werreanger-Aula - Ein letztes Helau von Till

Lage. Wieder einmal ausverkauft war die Aula des Schul- und Sportzentrums Werreanger, als dort der MGV Liederheim am Samstag, 18. Januar 2020, seine traditionelle Prunksitzung feierte. Und zwar mittlerweile bereits die 60. Sitzung.
„Kappenfeste“ wurden bei den Liederheimern seit 1938 gefeiert. Bis 1959 hat sich dieser Name erhalten. Wegen der Büttenreden und der Sketche wuchsen die Zuschauerzahlen stetig. 1960 wurde der Sprung ins kalte Wasser gewagt und erstmals ein Sitzungskarneval mit festem Programmablauf und anschließender Tanzveranstaltung durchgeführt. Zunächst reichte ein Sitzungskomitee mit zwei Herolden und Zeremonienmeister. In den Folgejahren wurden die Programme, die früher mehr aus dem Zufall heraus entstanden, minutiös geplant. Es wurden Proben abgehalten, Dekorationen hergestellt und Kostüme genäht. Es gab die ersten Sitzungsorden.
1964 marschierte der erste Liederheim-Elferrat auf die Bühne der Turn- und Festhalle am Jahnplatz. In den 1990er Jahren wurde in der Gaststätte „Friedenseiche“ gefeiert. Mit der 40. Prunksitzung im Jahr 2000 folgte der Wechsel in die Werreanger-Aula.
Die Liederheim-Prunksitzung hat sich seit 1960 auch inhaltlich stetig verändert.
Statt Büttenrede und Tusch rückte eine Mischung aus Show, Klamauk, Satire und Comedy in den Vordergrund. Die Bestrebungen gingen dabei immer dahin, „Eigengewächse“ für die Bühne zu rekrutieren und gesangliche Komponenten einzubinden. In dieser Hinsicht fügte sich die jüngste Sitzung nahtlos in die Tradition ein.
Wie in den vergangenen Jahren wurde auf der von Elferratspräsident Björn Cruel geleiteten Prunk- und Satiresitzung eine große Themenvielfalt mit Humor, aber zuweilen auch mit Schadenfreude sowie politisch unkorrekt und herrlich schräg vorgetragen. Das Publikum hatte seinen Spaß und bedachte die zahlreichen Aktiven meistens mit viel Applaus.
Wieder einmal waren es die Ereignisse der lokalen und deutschen Politik des vergangenen Jahres, die den Liederheim-Karnevalisten die Munition für ihre Spottverse lieferten. Jenseits der Politik gab es diesmal nichts zu lachen: Irgendwelche Fehltritte aus der Welt des Sports, der Prominenten oder der Schützen: Fehlanzeige. Sie konnten sich nicht durchsetzen gegen Klima, Greta Thunberg, Carola Rackete, Klima, Angela Merkel, Bürgermeisterwahl, Innenstadt und … ach ja: Klima.
Die Liste der auftretenden Ensembles war lang, aber die Nummern folgten zügig aufeinander. Seit Jahren ist der Liederheim-Karneval dafür bekannt, dass er sowohl kommunale als auch nationale Themen „aufspießt“ und daraus seinen Honig saugt. Diesmal stellten auf nationaler und internationaler Ebene der „Klimawandel“, der „SPD-Untergang“, die „NGO Rackete“, „Greta Thunberg“ und die „Freitagsdemo“ (um nur einige Beispiele zu nennen) den Fundus dar, aus dem sich die Liederheimer zu bedienen wussten.
Auf kommunaler Ebene ging es um den trockenen Zieglerbrunnen, die „Rathauskneipe“ und den beliebten Dauerbrenner „Dreck und Hundekot in der Innenstadt“, wobei die Aktiven (hauptsächlich Thomas „Tobi“ Reiche, Rudolf Müller-Ebbighausen, Robin Oliveira Bernardo, Gerold Obst, Thomas Ludewig und Dirk Detert) in immer wieder neuen Rollen auftraten.
Daniel Zindel als „Till vom Liederheim“ war auch mit von der Partie. Dessen satirischer Jahres­rück­blick war vom Publikum sehr erwartet worden und wurde mit viel Beifall bedacht. Kein gutes Haar ließ Till z.B. am Wahlkampf ums Bürgermeisteramt und der damit verbundenen „Plakat-Affäre“ sowie an der Selbstdarstellung grüner Politiker auf Bundesebene.
Tills größte Überraschung war jedoch sein überraschender „Bühnenabschied“, den er natürlich auch in Verse gefasst hatte: „Mein letzter Schimpf, ein letztes Lachen / über Unbill, Skandale, krumme Sachen. / So über tausend Verse Reim / trug ich hier vor beim Liederheim. / Doch sag‘ ich jetzt ade, ihr Lieben / mein Spiegel aber sei geblieben / in euren Köpfen, euren Händen / und damit lass ich‘s dann bewenden.“ Und schließlich: „So wünsch ich euch noch schöne Zeiten / ein andrer wird nun Spaß bereiten / denn Karneval wird immer sein. / Helau sagt Till vom Liederheim.“


Martin und Jakob
Einen schönen Auftritt hatten auch die beiden Ur-Schützen „Martin“ (Erhard Kirchhof) und „Jakob“ (Michael Krügermeyer-Kalthoff), die angesichts des bevorstehenden Klimawandels (!) u.a. an die städtischen Maßnahmen zum Hochwasserschutz erinnerten. Früher sei der Werreanger das natürliche Hochwassergebiet gewesen. Jetzt schütze man dieses Gebiet durch Deiche, seitdem man dort Schulen gebaut habe: „Und eine dieser Schulen gehört dir sogar“, gratulierte der Martin dem Jakob.
Uneingeschränkten Beifall erhielten auf der Prunksitzung natürlich auch die „Lie-La-Girls“. In diesem Jahr zelebrierte das Männerballett u.a. „Leev Marie“ von der Band „Paveier“ und krönte diesen Auftritt mit einer fast artis­tischen Hebefigur. Umjubelt auch der Auftritt der Mädchen der Tanzgarde der TG Lage.
Die höchste Karnevalsauszeichnung der Liederheimer, der Orden „Blauer Stern“, wurde an Detlef „Dets“ Trippler verliehen für seine jahrzehntelange technische Unterstützung als Ton- und Lichtmeis­ter, Programmierer und Gestalter. Die Auszeichnung nahmen Elferratspräsident Björn Cruel und sein „Vize“, Heinz-Adolf Stocksiek, vor.